Vom Kuhstall in den Therapieraum


Als kleiner Junge war ich so schüchtern, dass ich kaum etwas gesagt habe.

In meinen Grundschulzeugnissen wurde wiederholt bemerkt: "Peter ist zu still" oder "...ist noch zu still" und sogar "...ist immer noch zu still".
Während meiner Gymnasialzeit erhielt ich regelmäßig Ermahnungen, da ich oft gedankenverloren aus dem Fenster blickte.

Diese ständigen Kommentare ließen mich beschämt zurück, gefangen in dem Glauben, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich fühlte mich unzureichend, da ich es vermied, mich vor anderen Schülern und Lehrern zu äußern.
Geschickt gelang es mir, mich den Anforderungen von Referaten zu entziehen.

Damals habe ich mir geschworen, nie einen Beruf zu ergreifen, wo ich große Reden halten oder vor mehr als zwei Personen frei sprechen musste.

Lange Zeit bin ich um dieses Thema herumgekommen, bis zu jenem Tag, an dem meine Frau ihren 50. Geburtstag groß feiern wollte. Mit allem Pipapo! Was für mich hieß: eine Festansprache halten. Das war ihr Wunsch.

Bereits vier Wochen vor diesem Geburtstag war ich so aufgeregt, dass ich jeden Morgen frühzeitig aufgewacht bin.
Ganz verschlafen und wie bei einem Mantra begann ich sofort Sätze für die Rede zu formulieren und gedanklich aufzusagen. Immer und immer wieder.

Der große Tag kam und ich konnte die Rede praktisch auswendig.

Mit den ersten Worten die ich aussprach, spürte ich, wie mir die Leute ihre Aufmerksamkeit schenkten. Ich zog sie in meinen Bann. Die Reaktionen der Leute, beflügelten mich und mit dieser Leichtigkeit konnte ich die Situation überraschenderweise genießen. Meine Festansprache war ein voller Erfolg. 

Einen Monat später legte ich bei der Konfirmation meiner Tochter spielerisch nach.

Diesmal war ich kaum aufgeregt, spürte eine gewisse Sicherheit und war voller Vorfreude.


Wanderlust & Wurzelsuche

Die Zeit nach dem Abitur und Zivildienst war für mich komplett im Unklaren.
Ich hatte keine Lust zu studieren.

Was wollte und sollte ich beruflich machen?

Mich packte das Reisefieber und die Abenteuerlust. Auf dem Landweg reiste ich 9 Monate nach Indien.

Am Ende dieser Reise wurde die Idee geboren, mit und in der Natur zu arbeiten:

Das Wühlen in der Erde und dabei zuschauen, wie das, was ich aussäte, auch Früchte trug und wuchs, Nahrung gab für die Menschen.Also entschloss ich mich 1976 für eine landwirtschaftliche Lehre auf einem Biohof zu beginnen. 

Einige Jahre zogen ins Land als Bauer und Holzfäller, bis ich mit Kind und Kegel in die französischen Pyrenäen auswanderte.
Mich faszinierte die unglaubliche Natur und die üppige Vielfalt der Vegetation, war für mich wie ein Elixier.


Nach einiger Zeit packte mich eine innere Unruhe, die ich kaum in Worte fassen kann. 

Etwas zog mich weg. Ich spürte, ich war noch nicht dort angekommen, wo ich hingehörte. Ich verließ Frau, Kind und unseren Hof und kehrte in meine Heimatstadt Kiel zurück.
Dies war bisher der größte Bruch in meinem Leben.
Ohne Ideen wie es weitergehen sollte quälte ich mich mit vielen Selbstzweifeln.

Ich wohnte ich in einem alten Zirkuswagen und entdeckte meine tiefe Leidenschaft für das Trommeln und die Musik. In dieser Übergangszeit spielte ich in diversen Bands und gab Percussion-Unterricht.

Für mich war das Trommeln ein Ventil meinen Frust und meinen inneren dunklen Blues auszudrücken und mich zu befreien.

Fünf Jahre surfte ich auf der Welle musikalisch erfüllt zu sein. Bis ich merkte wie mich die immer wiederkehrende Frage nach einer tieferen Erfüllung in meinem Leben, einholte. Da musste es noch mehr geben, was mich in meinem Leben komplett machte!


Zwei Jahre voller Ungeduld und innerer Zerrissenheit.

Ein Song der mich in dieser Zeit prägte war von Jimmie Hendrix. Mit Leidenschaft und aus tiefsten Herzen sang ich fast täglich die Textzeile „There must be some way out of here“. Licht am Horizont kam durch eine Freundin. Sie erzählte mir begeistert von einer Ausbildung zum Atem-Sprech- und Stimmlehrer nach der Methode Schlaffhorst-Andersen. 

Alle meine Interessen flossen in dieser Ausbildungsform zusammen: Musik, Gesang, Stimme und die Arbeit mit Menschen. Der Nebel in einem Innersten löste sich plötzlich auf.

Ich spürte: Das ist es! Da liegt mein Ziel!

Bei der Aufnahmeprüfung war ich 35 Jahre alt. Wir mussten in der großen imposanten und lichtdurchfluteten Aula vor dem versammelten Gremium, Schülern und den anderen Prüflingen auf der Bühne ein Lied singen und ein Gedicht vortragen. 

Das Singen und Begleiten mit meiner Gitarre fiel mir leicht, aber beim Aufsagen des Gedichts fühlte ich mich völlig nackt und entblößt. Ich hatte das Gefühl, jeder schaute mir direkt in meine tiefsten Ängste und sah meine Unsicherheit.


Für die Aufnahmeprüfung wählte ich das Gedicht von Rilke„Der Panther“.

Das Gedicht passte zu mir wie angegossen. Im Laufe der Ausbildung, wuchs meine Lust und Leidenschaft frei und laut zu sprechen und das Interesse an Gedichten.

Nach der Ausbildung machte ich mich selbständig mit eigener Praxis in der Milchstraße in Hamburg Pöseldorf.

Meine große Neugier auf Menschen und Möglichkeiten der Therapien, beflügelten mich für zusätzliche Ausbildungen im Bereich Körperpsychotherapie, LnB Schmerztherapie und MET Klopftherapie. Die Verbindung von Körper, Atem, Stimme und Psyche hat mich in meiner therapeutischen Arbeit immer fasziniert.

Den Abschluss bildete meine Ausbildung zum Heilpraktiker. Neben der Praxistätigkeit war ich viele Jahre als Sprecherzieher für den NDR tätig. 

Musik begleitet mich mein ganzes Leben.

Es ist und bleibt ein wichtiger, essenzieller Teil von mir. Ich spiele Gitarre und Percussion. Bis vor kurzer Zeit trommelte und sang ich in meiner Latin Band „Latin Link“. Mittlerweile leite ich einen kleinen Chor und arbeite an einem Projekt mit einer Sängerin.

Im Juli 2022 habe ich die Praxis geschlossen. Ganze 26 Jahre erfüllten mich mit Freude und Leidenschaft.

Doch damit ist es noch lange nicht vorbei! 

Mein derzeitiger Fokus liegt auf Menschen, die an ihrer Gesangs- oder Sprech-Stimme arbeiten und die ureigene Stimme finden möchten.